Verkrümmungen der Wirbelsäule (Skoliosen, Kyphosen) in Kindes- und Erwachsenenalter (Vertebroplastie, Kyphoplastie und Lordoplastie)

Allgemeines

Mit zunehmendem Alter werden die Wirbelkörper brüchiger. Dabei kann es bereits bei geringer Krafteinwirkung wie brüskes Absitzen zum Bruch eines Wirbelkörpers kommen. Bei sehr fortgeschrittener Osteoporose (Knochenschwund) kann auch ein Wirbelkörper einbrechen ohne äussere Krafteinwirkung. Dies ist mit ein Grund, warum wir im Alter kleiner werden.

 

 

Ein eingebrochener Wirbelkörper verursacht starke, typischerweise belastungsabhängige Schmerzen. Im Bett sind die Patienten meistens schmerzarm, können aber wegen den Schmerzen schlecht Sitzen oder Stehen. Ein oder mehrere Wirbelbrüche können zu einer Wirbelsäulenverkrümmung führen mit der Folge, dass die Patienten immer mehr in die nach vorn geneigte Haltung kommen. Im Volksmund ist das auch als Witwenbuckel bekannt.

 

 

Zur Diagnosestellung reicht meistens ein normales Röntgenbild im Stehen. Bei Zweifel kann auch eine Magnetresonanz Untersuchung (MRI oder Röhre) durchgeführt werden, vor allem wenn man nicht sicher ist, ob es sich um einen frischen oder alten Bruch handelt.

 

Operationsindikation
Nicht jeder Wirbelbruch muss operiert werden. Durch eine gute Schmerztherapie und schonende physiotherapeutische Mobilisation kann zuerst einmal mit der konservativen Therapie begonnen werden. Ein Lendenmieder zur Unterstützung kann dem Patienten subjektiv Halt geben und so ebenfalls die Schmerzen verbessern. Ein 3-Punkte Korsett ist nur in Ausnahmefällen hilfreich, weil dieses bei älteren Patienten oft ungenügend angepasst werden kann und deshalb entweder nichts nützt oder nicht getragen wird.
Unter konservativer Therapie sollte eine schmerzarme Mobilisation innert 5-7 Tagen erreicht werden. Während der konservativen Therapie sollte der gebrochene Wirbelkörper mit Röntgenbildern stehend nach 7, 14 und 21 Tagen weiter beobachtet werden, ob er nicht weiter einbricht.
Sollte keine schmerzarme Mobilisation des Patienten innert 5-7 Tagen erreicht werden können, kann eine Stabilisierung des Wirbelkörpers mit Knochenzement (Vertebroplastie) diskutiert werden. Auch bei einer im Verlauf zunehmenden Einsinterung des Wirbelkörpers kann die Indikation zur Vertebroplastie gestellt werden.

 

Operationstechnik
Bei der Vertebroplastie, Kyphoplastie und Lordoplastie werden in den gebrochenen Wirbelkörper über kleine Hautschnitte zwei oder mehrere Hohlnadeln eingeführt. Über diese wird zähflüssiger Knochenzement (PMMA) in den Wirbelkörper eingespritzt.

 

Vertebroplastie und Bild aus dem Operationssal.

 

Bei der Kyphoplastie werden zuerst zusätzlich 2 Ballone ins Zentrum des gebrochenen Wirbelkörpers eingeführt und mit hohem Druck mit Wasser aufgeblasen. Damit kann der eingebrochene Wirbelkörper wieder „aufgeblasen" und so aufgerichtet werden.

 

 

Bei der Lordoplastie werden die benachbarten Wirbelkörper zuerst mit Knochenzement verstärkt. Über die Nachbarwirbel kann nun der gebrochene, dazwischen liegende Wirbel aufgehebelt werden. Die Lordoplastie ist die effektivste Methode, um eingebrochene Wirbelkörper wieder aufzurichten. In der Regel können 4-6 Wochen alte Brüche wieder gut aufgerichtet werden, in Ausnahmefällen gelingt dies auch bei 3-6 Monate alten Brüchen. Die Behandlung mehrerer Wirbel in einem Eingriff ist möglich. Der Zement wird in wenigen Minuten fest und erhöht so die Stabilität des Wirbelkörpers und beseitigt damit die belastungsabhängigen Schmerzen.

 


Alle 3 Verfahren können in örtlicher Betäubung oder kurzer Vollnarkose durchgeführt werden. Da es sich um ein minimalinvasives Verfahren mit geringem Operationstrauma handelt und praktisch zu vernachlässigendem Blutverlust, kann der Eingriff auch sicher bei betagten Menschen durchgeführt werden.

 

Nachbehandlung
Sie dürfen bereits 4-6 Stunden nach der Operation aufstehen und einige Schritte gehen. Auch Sitzen über kurze Dauer ist erlaubt. Sie sind zwischen 2-3 Tage im Spital. Von unserer Physiotherapie werden Sie über rückengerechtes Verhalten im Alltag instruiert. Um Ihnen am Anfang mehr Halt im Lendenbereich zu geben, können Sie ein Lendenmieder tagsüber für 4-6 Wochen tragen.
Die Gehstrecke erholt sich mit dem folgenden Training durch tägliche Spaziergänge allmählich wieder. Deshalb müssen Sie zu Hause regelmässige Spaziergänge von anfänglich 3x15 Minuten unternehmen und diese steigern bis 3x30 Minuten. Dies ist zentraler Bestandteil Ihrer Rehabilitation, damit Ihrer Rückenmuskulatur fit bleibt.

 


Eine Osteoporoseabklärung mit Knochendichtemessung sollte dringlich durchgeführt werden. Bei Bestätigung einer Osteoporose müssen Sie diese konsequent medikamentös durch Ihren Hausarzt behandeln lassen.

 

Risiken
In geübter Hand ist der Eingriff selbst für betagte Patienten recht sicher, die Komplikationsrate mit Konsequenzen liegt unter 2%. In 2/3 der Fälle kommt es während der Injektion zu ungefährlichem Austritt von Knochenzement aus dem behandelten Wirbelkörper. Deshalb wird die Operation unter ständiger Röntgenkontrolle durchgeführt, um diese bei gefährlichen Zementaustritten jederzeit abbrechen zu können. Zu den gefährliche Zementaustritten zählen Austritt Richtung Spinalkanal mit möglicher nachfolgender Lähmung oder Austritt via Hohlvene in die Lunge sogenannte Zementembolie. In geübter Hand sind solche Komplikationen weit unter 1%. Brüche von Nachbarwirbeln treten gehäuft auf. Die Studienlage ist allerdings nicht klar, ob dies aufgrund der erhöhten Steifigkeit des aufgefüllten Wirbelkörpers erklärt ist oder aufgrund der Schwerpunktsverschiebung des Patienten nach vorne wegen des Wirbelbruchs mit resultierender Mehrbelastung des Nachbarwirbels.

 

Prognose
Mit der Zementauffüllung von gebrochenen Wirbelkörpern kann in 70% – 80% ein gutes bis sehr gutes Resultat erreicht werden, das heisst, die Schmerzverbesserung beträgt mehr als 75%. Über 5-7 Tagen spüren Sie noch den Wundschmerz von den Einstichstellen der Hohlnadeln. Rückenschmerzen, welche Sie vor dem Wirbelbruch gehabt haben, werden durch diese Operation nicht verbessert. Erneut auftretende belastungsabhängige Rückenschmerzen deuten auf einen neuen Wirbelbruch hin. Ein normales stehendes Röntgenbild schafft Klarheit. Eine allfällige Osteoporose müssen Sie konsequent medikamentös durch Ihren Hausarzt behandeln lassen.