Traumatologie (Verletzungen) des Fusses und des Sprunggelenkes

Die Sprunggelenkfraktur (Malleolarfraktur) stellt beim Erwachsenen den am häufigsten auftretenden Knochenbruch der unteren Extremitäten dar. Das obere Sprunggelenk wird durch das Schienbein (Tibia, Innenknöchel), das Wadenbein (Fibula, Aussenknöchel) und das Sprungbein (Talus) gebildet. Dabei bilden das Wadenbein außen und das Schienbein innen die Sprunggelenksgabel, welche das Sprungbein anteilig umgibt. Die jeweiligen Gelenkpartner sind mit Knorpel überzogen. Das Sprungbein stellt dabei keine gleichförmige Gelenkrolle dar. Es besitzt innen und außen jeweils unterschiedliche Kreisradien. Sowohl auf der Innenseite als auch über der Außenseite sorgen straffe Bänder für einen optimalen Ablauf der Bewegung. Das kräftige Syndesmosenband (vorderes und hinteres Syndesmosenband) stellt eine straffe Verbindung zwischen Wadenbein und Schienbein dar. Der Innenband- und Aussenbandapparat halten das Sprungbein in der korrekten Stellung. 80% bis 90% der Last werden von dem Schienbein auf das Sprungbein direkt übertragen.

Für die uneingeschränkte Funktion des oberen Sprunggelenkes (OSG) ist die anatomisch korrekte Führung des Talus unabdingbar. Nur so können die hohen Druckbelastungen entsprechend übertragen werden. Kommt es durch eine Verletzung des OSG zu einer unphysiologischen Stellung des Talus, so reduziert sich entsprechend die Kontaktfläche der Gelenkflächen. Es resultiert daraus eine Überlastung des Knorpels mit einem frühzeitigen Verschleiß. Eine Abweichung des Talus nach außen um 1mm reduziert oben genannte Kontaktfläche bereits um etwa 50%. Unter einer normalen Belastung drängt der Talus nach außen gegen den Aussenknöchel, dieser wird durch das vordere und hintere Syndesmosenband mit dem Schienbein stabil, aber elastisch verbunden.

 

Ein Bruch (Fraktur) des oberen Sprunggelenkes entsteht zumeist durch eine Verdrehung, Verrenkung. Hierbei löst sich ein Gelenkpartner aus der normalen gelenkigen Verbindung. Je nach Ausmaß kommt es zu einem Bruch des Innen- und/oder Aussenknöchels sowie begleitenden Bandverletzungen. Zur Standarddiagnostik zählt neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung die Röntgenbildgebung des Sprunggelenkes in zwei Ebenen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass bei entsprechendem Verdacht auf das Vorliegen einer weiteren knöchernen Verletzung eine hohe Wadenbeinfraktur (Maisonneuve-Fraktur) und eine Fraktur der Basis des 5. Mittelfussknochens Röntgenbilder angefertigt werden. Verletzungen der im Röntgen nicht sichtbaren Bänder können im Zweifelsfall mit sogenannten gehaltenen Aufnahmen oder unter einem Bildwandler sichtbar gemacht werden. Hier kommt es zu einer Inkongruenz der Gelenklinien. Je nach Ausmaß der Fraktur kann eine zusätzliche Bildgebung, die Computertomographie, zur Anwendung kommen. Diese spezielle Untersuchung (Röhre) ermöglicht eine Schichtuntersuchung und gibt Klarheit über den Frakturverlauf. Bandverletzungen und Knorpelschäden hingegen werden mit einer Kernspintomographie (MRI) besser dargestellt.


Die Einteilung der jeweiligen Frakturformen erfolgt anatomisch, in Abhängigkeit der Höhenlokalisation des Wadenbeinbruchs in Relation zur oben genannten Syndesmose. Diese Einteilung wurde von der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) weiter unterteilt und gilt als internationaler Standard. So werden Frakturen unterteilt:

  • unterhalb des Syndesmosenbandes als A-Fraktur (Syndesmose intakt)
  • auf Höhe der Syndesmose (Syndesmose häufig betroffen) B-Fraktur
  • oberhalb der Syndesmose (hier ist diese immer mitverletzt) als C-Fraktur bezeichnet

 

Häufig können begleitend der Innenknöchel und/oder das hintere Schienbeinkantenfragment (Volkmann Fragment) betroffen sein. Man spricht dann im klinischen Jargon von einer bimalleolar oder trimalleolar Fraktur.

 

Behandlungsrichtlinien
Nicht jeder Bruch des oberen Sprunggelenkes muss operativ versorgt werden. Im Rahmen der Anamnese, der klinischen und radiologischen Untersuchung ist ein Hauptkriterium die Stabilität/Instabilität des Gelenkes. Hier spielt der Erhalt des Syndesmosenbandes eine zentrale Rolle. Zerreisen beide Syndesmosenbänder, ist eine ausreichende Stabilität des Gelenkes nicht mehr gewährleistet. Zerreißt nur das vordere, schwächere Syndesmosenband und das Hintere bleibt erhalten, kann eine ausreichende Führung und damit Stabilität des Gelenkes erhalten bleiben. Neben der reinen Frakturmorphologie spielt hinsichtlich der Therapie natürlich auch das Ausmaß der Weichteilverletzung, Alter des Patienten, Aktivitätsgrad und Begleiterkrankungen eine wichtige Rolle. Die Frage nach der Prognose/Langzeit bzw. Folgeschäden ist hauptsächlich von dem vorliegenden Knorpelschaden abhängig. Eine Instabilität oder schlechte Gelenkposition führen im Verlauf zu einem vermehrten Verschleiß der Knorpellagen, man spricht in diesem Zusammenhang dann von einer posttraumatischen Arthrose. Eine Arthrose kann im oberen Sprunggelenk rasch, bereits innerhalb eines Jahres, auftreten, bedingt durch die tägliche Belastung des Gelenkes.

 

Bei Verdacht einer Sprunggelenkfraktur ist die betroffene Extremität ruhigzustellen und hochzulagern. Dies führt zu einer Minimierung der Schwellung und damit zu einer Reduktion der Schmerzen. Bei intakten Haut-und Weichteilverhältnissen kann zusätzlich gekühlt werden, um die Schwellung zu reduzieren. Die Weichteilsituation stellt wie generell in der Frakturbehandlung ein wichtiges Kriterium hinsichtlich der operativen Versorgungsmöglichkeit. Bei entsprechend starker Schwellung, die teilweise mit Spannungsblasen einhergehen kann, wird eine Operation meist auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Operation würde hier ein zusätzliches Trauma bedeuten und es besteht die Gefahr, dass ein anatomischer Verschluss der Haut mittels Naht nach der Operation nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Liegt eine offene Fraktur vor (Weichteilverletzung mit sichtbarem Knochen) steht die Indikation zur Notfallversorgung. Die Wunde sollte hier keimfrei abgedeckt werden. Je nach Ausmaß der Verletzung kann der Bruch über ein äußeres Gestell (Fixateur externe) ruhiggestellt werden, die Weichteile können so ohne zusätzliches Trauma im Rahmen der Operation abheilen.

 

Fixateur externe des Sprunggelenkes.

 

In einer zweiten Operation wird dann die definitive Versorgung erfolgen. Eine Fehlstellung (ausgekugeltes Gelenk) des Sprunggelenks sollte durch medizinisches Fachpersonal schnellstmöglich nach der Gabe von Schmerz- und gegebenenfalls auch Beruhigungsmittel behoben werden. Die Wiederherstellung der «normalen anatomischen» Verhältnisse mindert die Gefahr von Druckstellen an der dünnen Haut über dem Sprunggelenk. Nervenbahnen aber auch Blutgefäße können sich besser erholen. Die weitere Ruhigstellung erfolgt dann zunächst in einer Spezialschiene.

Prinzipiell gilt, dass nicht verschobene Brüche unterhalb der Syndesmose (A-Verletzungen) oder minimal verschobene B-Verletzungen konservativ, also ohne Operation durch eine äußere Stabilisierung (z.B. Gips, Spezialschuh) therapiert werden können. Voraussetzung hierfür ist eine korrekte Wiederherstellung, Reposition der Fraktur und eine stabilen Gelenkführung. Unter gewissen Umständen kann auch eine C-Verletzung konservativ therapiert werden, zum Beispiel bei bettlägerigen Patienten.

Je nach Bruchform kommen hinsichtlich der operativen Versorgung Drähte, Schrauben und Plattensysteme zur Anwendung. Manchmal gelingt es diese über sehr kleine Zugänge/Hautschnitte zu platzieren. Oft ist aber die sogenannte offene Reposition nötig um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Das Ziel der Osteosynthese ist es, die anatomischen Verhältnisse wiederherzustellen und eine stabile Situation zu schaffen, damit frühzeitig mit der Rehabilitation begonnen werden kann.


In der Mehrzahl der Fälle wird sowohl in der konservativen wie auch der operativen Therapie in den ersten 6 Wochen eine Teilbelastung von 15kg bis 20kg empfohlen. Unter physiotherapeutischer Anleitung wird das Laufen mit Unterarmgehstützen gelernt. Bei den operierten Patienten ist meist auch die Beübung des Gelenkes passiv und aktiv möglich, da der Bruch hier durch die jeweiligen Platten und oder Schrauben gehalten wird. Ab der 7. Woche beginnt der Übergang zur Vollbelastung unter vorheriger Röntgenkontrolle. Die Vollbelastung ist meist nach 7 bis 8 Wochen erreicht, bis zu diesem Zeitpunkt sollte auch die Thromboseprophylaxe erfolgen. Eine Entfernung des Osteosynthesematerials ist nicht zwingend erforderlich, oftmals fühlen sich die Patienten jedoch bedingt der dünnen Weichteile hier beim Tragen von normalem Schuhwerk gestört. Meist erfolgt die Entfernung dann nach 1 bis 1.5 Jahren.

 

Schematische Darstellung einer Versorgung eines Aussenknöchelbruchs.

 

Röntgenbid nach operativer Versorgung eines Innenknöchelbruchs mit zwei Schrauben.

 

Röntgenbild nach operativer Versorgung eines Aussenknöchelbruches, kombiniert mit einem sogenannten Hinterkantenfragment (Volkmann).